Rezension

Das Kernholz des Bodhibaums – Suññata verstehen und leben

Rezension vom 9.12.2023

Man kann und sollte das Buch auf verschiedene Art und Weise (aus unterschiedlichen) Blickwinkeln betrachten.

1.) Man hat bisher rein gar nichts mit der Lehre des Buddha zu tun gehabt - dann wird es wahrscheinlich nicht so einfach sein (es sei denn der Geist des Lesers ist zu dem Thema und Inhalt geneigt) die Buchaussagen zu "verstehen". Das Thema Leerheit ist tiefgründig und Bhikkhu Buddhadāsa versucht es verständlich zu erklären, aber unser "Alltagsgeist" könnte sich hier verweigern - weil die dargestellten Ansätze manch eingefahrenes Denkmuster in Frage stellen.

2.) "Denkmuster bzw. Verstand" ist ein gutes Stichwort für einen zweiten Blickwinkel. Bhikkhu Buddhadāsa gibt sich viel "Mühe" Leerheit so zu erklären, dass das Thema "verstanden" werden kann. Zum Beispiel erklärt er den Begriff "Leerheit" (Suññatā) schlicht damit, dass "unser" der gerade aufgestiegene "Geist" frei von "ich und mein" ist. Aber Worte sind nur begrenzt tauglich - das liegt daran, dass wir alle Sätze (Worte) im Rahmen unserer eingefärbten Erfahrung "interpretieren". Interpretieren geht oft mit dem "Denkprozess" einher, was nicht immer hilfreich sein muss. Daher gilt -> rein intellektuelles Verstehen ist nur eine erste Annäherung an das Thema. Aber nichts desto trotz ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

3.) Das was der Buddha lehrt (den Dhamma) ist tief wie der Ozean. Aber wie der Ozean selbst gibt es ein seichtes Ufergebiet was zunehmend tiefer und tiefer wird. Damit ist das Verständnis gemeint, was in jedem von uns im Laufe seines Lernprozesses des Dhammas sich entwickelt. Das Thema der Leerheit ist eines der am schwierigsten zu "verstehenden" Ansätze. Leerheit ist direkt mit Anatta (frei von einem Selbst zu sein) verknüpft. Um sich von der Ebene des reinen intellektuellen Verstehens loszulösen und eine Stufe direkter zu arbeiten benötigt man eine aktive Meditationspraxis. Die Angebote dazu sind vielfältig. Bücher wie wir meditieren sollten gibt es ebenfalls viele. Orte wo man kontinuierlich über einen längeren Zeitraum (unter Anleitung eines Lehrers) praktizieren kann findet man dagegen nicht so leicht. Dann gibt es verschiedene Schulen in denen wir die Dhammapraxis (das was der Buddha lehrt) lernen können. Leider stehen diese Schulen (manchesmal) untereinander in einem gewissen Konkurrenzkampf. Oft geht es dabei um die Auslegung und praktische Umsetzung gewisser Begriffe aus der Lehre des Buddha. Für einen Meditationsanfänger bedeutet das -gefangen- zu sein in einer bestimmten Ansicht, wie die Lehre des Buddha präsentiert und ausgelegt wird - doch mit zunehmender persönlicher Weisheit erkennt man, dass die Schulen nur unterschiedliche Zugänge bieten, aber auf das letztendliche (selbe) Ziel zuarbeiten. Bhikkhu Buddhadāsa lehrt eine sehr ursprüngliche Form des Dhamma. Mit einer Dhammapraxis, die diesen ursprünglichen Ansatz unterstützt, wäre der persönlichen Dhammaentwicklung neben dem Lesen in bester Weise gedient. Hierzu sollte sich jeder, der tiefer in den Dhamma eintauchen möchte, z.B. im Internet informieren.

Fazit: Das Thema Leerheit ist eines der tiefgründigsten Themen in der Lehre des Buddha. Bhikkhu Buddhadāsa führt den Leser gut zu diesem Thema. Als Unterstützung sollte man seine Texte "Auf den Punkt gebracht - Texte zu Ich und Mein -" lesen. Alles in allem ein fruchtbarer Ansatz, um sich in der Lehre des Buddha zu entwickeln. Das Lesen sollte aber stets durch eine praktische Meditationsmethode, die regelmäßig praktiziert wird, unterstützt werden.

Mögen wir alle in Dhamma wachsen. Zu unserem Wohl und zum Wohle vieler.

Andreas Tholl


Lotusblätter 3/2001

Buddhadasa war einer der bemerkenswertesten Meister des Thai-Buddhismus im 20. Jahrhundert. 1932 gründete er in Südthailand das Waldkloster Suan Mokkh (Garten der Befreiung). Statt goldener Buddhastatuen und eines prächtigen Tempels gab es in Suan Mokkh für die Zusammenkünfte der Mönche einen Kreis im Wald mit großen Steinen unter alten Bäumen, und an die Stelle der traditionellen Formen der Verdienstansammlung traten Dhammadiskussionen und die intensive Übung von Metta (liebender Güte) und Vipassana (Klarblick). Das jetzt auf Deutsch vorgelegte Buch "Kernholz des Bodhibaums" erschien erstmals 1962 auf Thai, dann von Santikaro Bhikkhu herausgegeben 1994 auf Englisch.

Auf einfache, schöne und tiefgründige Weise erklärt Buddhadāsa die Essenz des Dhamma, Suññatā (Leerheit, Freisein von einem Selbst), und er erklärt auch, wie jeder, vom Schulkind bis zur Großmutter, Suññatā verstehen und ganz praktisch leben kann, hier und jetzt.

Für Buddhadāsa ist das "Herz des Buddhismus" in dem Satz zu finden, aus dem er immer neue Einsichten und konkrete Alltagsübungen ableitet: Sabbe dhammā nālam abhinivesāya - Kein Ding sollte festgehalten werden.

Die Leerheit von einem Selbst zu verstehen bedeutet im Umkehrschluss, die wechselseitige Abhängigkeit aller Dinge zu verstehen. Dies nun führt zwangsläufig dazu, auch die leiderzeugenden gesellschaftlichen Strukturen zu reflektieren - und so wurde Buddhadāsa durch seine offenherzigen und mutigen Belehrungen zu einem der Gründungsväter eines "engagierten Buddhismus".

Die Übersetzung von Viriya (Manfred Wiesberger), der einige Jahre als Mönch beim Ehrwürdigen Buddhadāsa verbracht hat, liest sich leicht und schön und ist doch mit großer Sorgfalt um jeden einzelnen Palibegriff bemüht. Ich denke, dass diese Übertragung nicht nur von Theravadins von Interesse ist, sondern auch Zen-, Dzogchen- und Mahamudra-Übende große Freude und Inspiration finden können.

Munish B. Schiekel

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