Rezension

Der Zauber des Geistes


Buchbesprechung Alfred Weil 12/2003

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich wieder einmal in einer Vorstellung mit Zauberern und Magiern. Aber dieses Mal ist alles anders, sie kommen den Akteuren auf der Bühne auf die Schliche und durchschauen ihre Tricks. Von nun an funktionieren die alten Verführungskünste nicht mehr, Sie wissen jetzt, wie diese ganze Show abläuft, die Sie bislang immer wieder fasziniert hat. Genau das ist, was der Autor mit uns vorhat. Er will uns desillusionieren und das, was wir gewöhnlich für die Realität halten, als eine nahezu perfekte Täuschung entlarven, auf die wir dann nicht länger hereinfallen werden.

Ausgehend von einem bekannten Lehrtext aus dem Palikanon - dem Kālakārāma-Sutta (Anguttara-Nikaya 4,24) – führt er uns Schritt für Schritt hinter die Kulissen der Scheinwirklichkeit unserer Sinneswahrnehmungen.

Drei wichtige Entdeckungen sind dort zu machen: Da ist gar nichts Substanzielles "hinter" den Erscheinungen unserer Wahrnehmung, keine von ihnen ist es (letztlich) wert, gesehen, gehört oder sonst wie erlebt zu werden, und bei genauem Hinsehen ist nicht einmal ein Sehender im eigentlichen Sinn auszumachen. Was sich unseren Sinnen präsentiert, ist nichts als der sich manifestierende Ausdruck eines latenten Kräftespieles von "Gier", "Hass" und "Verblendung". Wir haben es mit Vorstellungen, mit Begriffen, mit "Zeichen" zu tun, denen wir unsere subjektive Bedeutung beimessen, und nicht mit objektiven Gegebenheiten. Bhikkhu Ñānananda erläutert anschließend, wie dieser "Zauber des Geistes" zustande kommt und in Gang bleibt. In den folgenden Kapiteln setzt er sich daher mit der "Bedingten Entstehung", dem Verhältnis von "Geist und Materie", der "Ich-bin-Vorstellung" und anderen Fragestellungen auseinander. Dabei ist sein Ziel letztlich kein akademisches, sondern ein höchst praktisches: die "illusionäre Natur der Wirklichkeit" erkennbar zu machen und den Weg zur Befreiung zu eröffnen.

Der 1940 in Sri Lanka geborene Autor hat sich schon vor seiner Ordination 1967 einen Namen als Lektor für Pali an der Peradeniya Universität gemacht und inzwischen zahlreiche Bücher veröffentlicht. Auch das vorliegende zeigt, dass es Bhikkhu Ñānananda um die tiefsten Aussagen der buddhistischen Lehre geht. Das Buch ist deshalb für "ernsthaft Übende" gedacht, die bereit sind, sich auf eine nicht einfache, aber überaus lohnende Thematik einzulassen. Der Text zeichnet sich dadurch aus, dass sich seine Argumentation ganz eng an den Paliquellen orientiert und so zum Weiterstudieren animiert.

Paññādhamma Bhikkhu hat diese anspruchsvolle Veröffentlichung aus dem Englischen übersetzt, Manfred Wiesberger bearbeitete die deutsche Fassung. Sie erscheint im Rahmen des Dhamma-Dana-Projektes der Buddhistischen Gesellschaft München.

Alfred Weil

Zurück